Jugend trainiert für Olympia – eine zündende Idee
  16.07.2018 •     WLV , Jugend


Die Geschichte des Schulsportwettbewerbs unter besonderer Berücksichtigung der Sportart Leichtathletik zum 50. Landesfinale

„Jugend trainiert für Olympia“ ist eine Erfolgsgeschichte im deutschen Sport, die ihre Anfänge in den 60er Jahren hat. In der wirtschaftlichen Aufschwungphase dieser Zeit verlor der erfolgsverwöhnte deutsche Sport (u.a. am schlechten Abschneiden bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko festgemacht) international an Boden.

Stern-Verleger Henri Nannen initiierte mit Blick auf die Olympischen Spiele 1972 in München in systemgerechter Abwandlung zu den Spartakiaden-Wettbewerben in der ehemaligen DDR den Schulsportwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ als Talentwettbewerb mit den Gründungssportarten Leichtathletik und Schwimmen. Das erste Bundesfinale in Berlin fand am 27./28. September 1969 im Olympiastadion statt. Als erste Ballsportarten kam Volleyball und danach Fußball hinzu. Bis heute wurden 17 Sportarten ins Programm aufgenommen. Der Schulsportwettbewerb entwickelte sich zu einem Erfolgsmodell: nach anfänglich 16500 Teilnehmern nehmen inzwischen bundesweit jährlich rund 800000 Schülerinnen und Schüler teil. In Baden-Württemberg sind es pro Jahr rund 125 000 Teilnehmer.

Über „Jugend trainiert“ zum Spitzensportler

Zahlreiche Spitzensportler fanden ihren Weg in den Leistungssport über „Jugend trainiert für Olympia“. Die bekanntesten: Heike Henkel (Hochsprung-Olympiasiegerin), David Storl (Kugelstoß-Weltmeister), Ole Bischof (Judo-Olympiasieger), Michael Greis (Biathlon-Olympiasieger), Britta Steffen (Schwimm-Olympiasiegerin) Siggi Wentz (Vize-Weltmeister Zehnkampf) oder Michael Groß (Olympiasieger Schwimmen).

Aktuell Sportler mit einer „Jugend-trainiert-Vergangenheit“ sind Arthur Abele (Ulm, Zehnkampf-WM-Olympiateilnehmer), Jackie Baumann (Tübingen, zweifache Deutsche Meisterin 400 Meter Hürden), Alina Reh (Laichingen, Langstreckenläuferin, als Triathletin), Felix König (Handball-Bundesliga-Spieler und Bundesfinalist bei Jugend trainiert).

Impulse für den Vereinssport   

Aus dem Schulsportwettbewerb gingen viele Abteilungsgründungen in Sportvereinen hervor. Neben dem Talentgedanken liegt das wesentliche Ziel von „Jugend trainiert“ darin, Jugendliche im Sport zu erreichen und ihnen Wettkampferfahrungen zu ermöglichen. Damit ist der Schulsportwettbewerb ein Wegbereiter für viele Jugendliche in den freien Sport. Seit 2012 wird in enger Verzahnung auch der Wettbewerb „Jugend trainiert Paralympics“ durchgeführt.

Kernsportart Leichtathletik

2018 findet in Sindelfingen zum 50.Mal ein Landesfinale in der Leichtathletik statt. Insgesamt 27 Mal wurde die Veranstaltung im Stuttgarter Neckarstadion (Daimlerstadion) durchgeführt. Ab 1997 wechselte der Austragungsort jährlich und wurde u.a. fünfmal in Konstanz, je dreimal im Ulm und im Sindelfinger Floschenstadion durchgeführt. Die Teilnehmerzahlen in der Leichtathletik stiegen von 302 Teams (700 Teilnehmer) kontinuierlich bis 1983 auf die Rekordzahl von 2450 Teams mit über 28000 Schülerinnen und Schülern.

Die Zuschauerbegeisterung bei den Europameisterschaften 1986 und den Weltmeisterschaften 1993 in Stuttgart wurde v.a. bei den Vormittagsveranstaltungen durch Zehntausende „Jugend-Trainiert“-Teilnehmer mit bestimmt. Im vergangenen Jahr waren 1684 Teams mit rund 16500 Sportlern dabei. Herausragende Veranstaltung auf unterster Ebene ist seit 47 Jahren das Kreisfinale im Schönbuchstadion in Pliezhausen. Mit weit über 2000 Schülern ist dies die wohl größte Sportveranstaltung dieser Art bundesweit, die auch medial ein überragendes Echo findet.

Krisen

Als 1990 die Deutsche Sporthilfe (DSH), die neben dem Bund, den Ländern und dem Land Berlin und den Fachverbänden, aus der Finanzierung des Bundeswettbewerbs ausstieg, kam „Jugend trainiert“ in Not. Zur Rettung wurde ein Verein (Bundeswettbewerb der Schulen) gegründet. Schon 1987 nach dem schlechten Abschneiden bei der WM in Rom und den Olympischen Spielen in Seoul, wurde auch der Schulsportswettbewerb heftig kritisiert. Er habe einen zu geringen Anteil an der Talentgewinnung, der Name „Jugend trainiert für Olympia sei „Etikettenschwindel“.

2014 kam eine weitere Hürde hinzu: der Bund (BMI) kündigte an, die Mittel auf die Hälfte (355 000 Euro) kürzen und für 2015 ganz streichen zu wollen. Der Deutschen Schulsportstiftung gelang es unter der Leitung von Karl Weinmann (Stuttgart), die Finanzierung durch den Bund weiter zu sichern.

2018 werden beim Landesfinale in Sindelfingen erstmals die Landessieger in mehreren Sportarten (Leichtathletik, Fußball, Beachhandball, Judo, Fechten, Rhythmische Sportgymnastik und  Beachvolleyball) am gleichen Ort durchgeführt.  

„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ ist ein Schrei, der lediglich die Spitze des Wettbewerbs direkt betrifft: nur ein Prozent aller Teilnehmer schaffen den Sprung in ein Bundesfinale bei den drei Frühjahrs-, Herbst- und Winter-Endkämpfen. Als Inspiration und Motivation dient er jedoch für Zehntausende junger Sportlerinnen und Sportler. Die soziale Dimension („Gemeinschaftserlebnis“) des Teamwettbewerbs ist mindestens genauso groß wie die sportliche.


Der Autor Ewald Walker hat über 40 Jahre als Betreuer von rund 2000 Schülern, Kreisbeauftragter, Moderator und Berichterstatter den Schulsportwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ begleitet. 


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