Das ist die perfekte Bühne, um die Karriere zu beenden
  10.08.2019 •     WLV


Der Bönnigheimer Zehnkämpfer Felix Hepperle von der LG Neckar-Enz spricht im Interview über sein Heimspiel bei der Mehrkampf-DM im Bietigheimer Sportpark Ellental und kündigt den Abschied vom Leistungssport an.

Interview von Andreas Eberle (mit freundlicher Genehmigung der Bietigheimer Zeitung)

Als Lokalmatador mit Medaillenchancen startet Felix Hepperle an diesem Wochenende bei den deutschen Mehrkampf-Meisterschaften im Bietigheimer Ellental. Was er dort vorhat und warum die DM für ihn der letzte Wettkampf im Trikot der LG Neckar-Enz sein wird, verrät der 29-jährige Bönnigheimer im BZ-Interview.

Ist das Kribbeln bei einem DM-Start vor der Haustür größer als bei einem Austragungsort fern der Heimat?

Felix Hepperle: Mit Sicherheit. Es werden viele Zuschauer da sein, die ich persönlich kenne. Sonst waren die deutschen Meisterschaften in den vergangenen Jahren zum Beispiel in Kienbaum bei Berlin. Da reist man dann zu dritt an, zieht sein Ding durch und hat sonst keinen weiteren Bezug zur Veranstaltung. In Bietigheim wird für mich eine ganz besondere Atmosphäre herrschen. Da ich quasi im eigenen Wohnzimmer starte, will ich natürlich eine starke Leistung abliefern und mich gut präsentieren – zumal diese DM mein letzter Zehnkampf im LG-Trikot sein wird.

Wieso Ihr letzter Zehnkampf für die LG? Wechseln Sie den Verein?

Nein. Nach dieser Saison mache ich Feierabend. Schon in den letzten Jahren habe ich mich mit dem Gedanken herumgetragen, aufzuhören. Meine Entscheidung habe ich der Vereinsführung bereits mitgeteilt. Das Heimspiel ist für mich jetzt das perfekte emotionale Ende – und die perfekte Bühne, um meine Karriere zu beenden. Am 14. und 15. September werde ich dann noch beim Thorpe-Cup in Filderstadt-Bernhausen gegen die USA für Deutschland starten, und dann war’s das.

Warum hören Sie auf?

Zum einen gehöre ich mit 29 Jahren schon zum alten Eisen und zum anderen leidet mein Körper inzwischen doch an so manchem Wehwehchen. Der körperliche Verschleiß macht sich nach all den Jahren bemerkbar. Zu Beginn der Saison hatte ich mit der Hüfte Probleme und konnte so gar kein Techniktraining machen, sondern nur Aufbau- und Krafttraining. Zurzeit laboriere ich an Ellbogenproblemen, und einige Altlasten schleppe ich auch noch mit mir herum.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, zum dritten Mal Deutscher Meister zu werden?

Für mich geht es in erster Linie um eine Medaille. Ich gehe nicht als Titelfavorit in den Wettkampf. Mit Florian Obst ist ein Konkurrent dabei, der im vergangenen Jahr zweimal die 8000-Punkte-Marke geknackt hat. Wenn es bei ihm normal läuft, habe ich gegen ihn keine Chance. Wenn er patzt, versuche ich natürlich da zu sein. Ein Zehnkampf hat immer auch seine eigenen Regeln.

Die Stars der Szene wie Arthur Abele, Rico Freimuth und Kai Kazmirek sind in Bietigheim nicht dabei. Entwertet das eine deutsche Meisterschaft nicht auch ein bisschen?

Aus meiner Sicht schon. Das war aber in den vergangenen zehn Jahren nicht anders, da die deutschen Meisterschaften oft parallel zu den Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Nur wenn sie aus einer Verletzung herausgekommen sind, waren mal vereinzelt die Stars wie Arthur Abele oder Michael Schrader am Start. Diesmal findet die WM in Doha zwar erst Ende September und Anfang Oktober statt. Aufgrund der Vorbereitung sind die Topathleten bei der DM aber trotzdem nicht in Bietigheim dabei. Das geht wegen des Terminplans auch gar nicht anders. Ich finde es schade, dass eine deutsche Meisterschaft mit einer Punktzahl von 7500 weggeht statt mit 8500, weil nur die zweite Garde antritt.

Haben Sie eine Idee, wie sich dieses Dilemma lösen lässt?

Meines Erachtens müsste der DLV das ganze System verändern. Zum Beispiel könnte man die deutsche Meisterschaft in das Mehrkampf-Meeting in Ratingen integrieren, wo ohnehin alle Stars starten. Oder man veranstaltet die DM zum Saisonauftakt, sodass diese für alle Athleten der erste Wettkampf ist.

Ihre Bestleistung liegt aktuell bei 7763 Zählern. Wie realistisch ist es für Sie, bei Ihrem vorletzten Wettkampf noch mal eine Steigerung zu schaffen?

Vor einem Zehnkampf ist es immer schwer, eine Prognose abzugeben, weil so viele technisch anspruchsvolle und komplexe Disziplinen dabei sind. Wegen meiner Ellbogenprobleme konnte ich das Speerwerfen gar nicht trainieren. Was die anderen Disziplinen anbelangt, bin ich deutlich besser in Form als vor sechs Wochen in Ratingen. Daher könnte es in Richtung 7500 plus x, vielleicht auch in Richtung 7700 und Bestleistung gehen.

Wie sind Sie damals überhaupt zum Zehnkampf gekommen?

Ich war mit meinen Eltern schon im Kinderwagen auf dem Sportplatz und habe von Kindesbeinen an Leichtathletik gemacht und nebenbei noch etwas Handball gespielt. Nach der Pubertät hat sich mit 16 herauskristallisiert, dass Talent vorhanden ist. Den Durchbruch hatte ich dann in der A-Jugend, als ich bei der „Deutschen“ Achter oder Neunter wurde und zwei Jahre hintereinander große Fortschritte erzielt habe.

Was ist Ihre Lieblingsdisziplin?

Mein absoluter Favorit ist der Stabhochsprung. Das ist für mich die komplexeste, dynamischste und akrobatischste Disziplin, die es in der Leichtathletik gibt. Auch für die Zuschauer ist es faszinierend, wenn ein Sportler mit 35, 40 km/h auf die Anlage zurennt, den Stab in den Einstichkasten haut und dann in fünf Metern Höhe über die Latte fliegt.

Und welche der zehn Zehnkampf-Disziplinen mögen Sie gar nicht?

Ich habe keine Hassdisziplin. Der Wurf allgemein ist meine Schwäche. Vom Typ her bin ich eher ein Sprinter und Springer. Jeder Mehrkämpfer hat natürlich Respekt vor den 1500 Metern am Schluss, aber das ist Kopf- und Einstellungssache.

Sind Sie denn mental stark?

Ich würde sagen, dass das sogar eine Stärke von mir ist. Ich hänge mich auch in der letzten Disziplin noch einmal voll rein – erst recht, wenn ich ein Ziel vor Augen habe und zum Beispiel einem anderen Athleten noch zehn Sekunden abnehmen muss, um eine bessere Platzierung zu erreichen.

Vater Roland ist Ihr Technik-Trainer und ein erfahrener Leichtathlet, Mutter Kristine steht Ihnen als Physiotherapeutin zur Seite – welchen Anteil hat die familiäre Unterstützung an Ihren Erfolgen?

Das war das prägende Element in meiner Karriere. Wir sind ein Dreigestirn, das sich ideal ergänzt. Bis vor zwei Jahren war auch noch mein Bruder Steffen mein Trainer und für die Trainingsplanung verantwortlich. Meine Mutter versteht meinen Körper blind, und ich verstehe bei der Analyse sofort, was sie meint. Bei Problemen oder Verspannungen kann ich sie immer kontaktieren, und sie nimmt sich für mich die Zeit, um mich zu behandeln und zu betreuen. Es ist der Traum eines jeden Sportlers, einen Privat-Physio zu haben. Und mein Vater als Trainer kennt mich von klein auf und weiß, wo bei mir die Defizite stecken. Er hat ein sehr gutes Auge für die Technik und den gesamten Bewegungsablauf bei den einzelnen Disziplinen. Um Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer kümmere ich mich in der Regel selbst.

Gibt es manchmal auch Meinungsverschiedenheiten untereinander?

Die gibt es immer wieder. Ein Beispiel: Meine Mutter rät mir, dass ich beim Training oder einem Wettkampf nach einem guten Versuch aufhören und mich schonen soll, während ich dann sage: Jetzt läuft es, vielleicht schaffe ich ja noch ein paar Punkte mehr. Da kommt bei mir eben der Leistungssportler heraus, der das Maximale herausholen will. Ähnliches passiert auch mit meinem Vater im technischen Bereich  – etwa wenn ich beim Diskuswurf an einem Punkt hadere und da unbedingt weitermachen will. Dann sagt mein Vater zu mir, ich soll mich nicht so verbohren, sondern etwas Abstand gewinnen und zur nächsten Disziplin wechseln. Da kochen manchmal kurz auch mal die Emotionen über. Am Ende des Tages sind wir dann aber doch einer Meinung.

Abgesehen von Ihren Eltern – mit welcher Unterstützung können Sie am Wochenende im Stadion Ellental sonst noch rechnen?

Ich gehe davon aus, dass einige Sportler aus meiner früheren Trainingsgruppe und noch viele andere LGler da sein werden. Mehrere Verwandte, Nachbarn, Studienkollegen und Freunde haben sich ebenfalls angekündigt. Ich werde sicherlich ein Heimspiel haben, was das Publikum betrifft.

Ist ein weiteres Plus, dass Sie auch die Wettkampfstätte kennen?

Auf jeden Fall. Gegenüber den Konkurrenten habe ich den Vorteil, dass ich mich hier vor Ort auf die Titelkämpfe vorbereiten konnte. Ich habe in den vergangenen drei, vier Wochen einige Einheiten in Bietigheim absolviert und die Anlagen ausprobiert. Zu Beginn hatte ich noch etwas mit der Bahn im Ellental Probleme, weil die viel weicher ist als in Bönnigheim. Ich hoffe, dass sich der Heimvorteil für mich auszahlt.


Zur Person: Felix Hepperle

Zu den Höhepunkten seiner Karriere zählen die beiden deutschen Meisterschaften 2016 und 2017 im Zehnkampf mit 7461 und 7328 Punkten.

Viermal qualifizierte sich Felix Hepperle außerdem für den Thorpe-Cup. Letztmals wird der 29-jährige Mehrkämpfer vom TSV Bönnigheim am 14. und 15. September in Filderstadt-Bernhausen an dem Ländervergleichskampf zwischen den USA und Deutschland teilnehmen und das DLV-Trikot tragen. Bei der DM 2012 in Hannover gewann er gemeinsam mit Thorsten Seyb und Matthias Laube für die LG Neckar-Enz den Titel in der Mannschaftswertung.

Seine aktuelle Bestleistung im Zehnkampf sind 7763 Punkte. Der in Bönnigheim geborene Hepperle, der bereits im Alter von vier Jahren mit der Leichtathletik anfing, wird bis heute von seinem Vater Roland Hepperle trainiert. Mutter Kristine ist seine Physiotherapeutin.

Auch Bruder Steffen (34) und Schwester Lisa (32) waren aktive und erfolgreiche Leichtathleten.

Nach einem Lehramtsstudium absolvierte Felix Hepperle 2017/18 ein Referendariat und unterrichtet ab September an einer Stuttgarter Realschule die Fächer Sport und Geschichte. Er ist ledig und wohnt mit seiner Freundin Vera in Stuttgart-West. Lesen, Skifahren und Reisen, am liebsten nach Südostasien, nennt er als Hobbys. Besonders gern isst er Lachsgerichte.

 


Felix Hepperle mit seinem Vater und Coach Roland Hepperle, früher selbst ein erfolgreicher 7.000 Punkte-Zehnkämpfer